Von der Gründungszeit bis heute gehört es im Roigel zum guten Ton, gesellige Veranstaltungen aber auch bundesbrüderliche Korrespondenz mit sogenannten "Gazetten" zu beleben; das sind mehr oder weniger sorgfältig vorbereitete, aber auch spontane Beiträge, meist in Versform, oft auch in Prosa oder von graphischer Natur.
Über das Wesen der Gazette schrieb der erste Herausgeber der Roigelblätter, dem roigelinternen Kommunikationsorgan, Ernst Haußmann 1929: „Die Gazette liebt einen natürlichen, kräftigen, heiteren Ton, Witz, Humor, Ironie, Satire. Ernste ideale Gazetten kommen vor, sind aber nicht allzuhäufig […]. Hohles Pathos, gemachtes phrasenhaftes Getue, Sentimentalität und Weichlichkeit ist der Roigelgazette wie Spitzgras, und wenn je dann und wann von Unerfahrenen der Versuch gemacht wird, derartiges zu bieten, antwortet die Korona mit derbem Zuruf […].
Dergestalt bezeichnend ist beispielshalber die Roigelgazette „Ich hab eine Log' im Theater“, als „Protzenlied“ von Bundesbruder Heinrich Seybold gedichtet und 1905 veröffentlicht. Zum Hintergrund: Das feudale Gebahren von Corpsstudenten stellte sozusagen einen natürlichen Kontrapunkt zur Volksnähe des Roigel und seiner Verwurzelung in der Tübinger Bevölkerung dar. So nimmt es nicht wunder, dass das corpsstudentische Lebensgefühl Zielscheibe von Roigelgazetten wurde.
Protzenlied
Ich hab eine Log’ im Theater,
Ich auch ein Opernglas,
Ich hab Equipagen und Pferde –
Meine Mittel erlauben mir das.
Ich rauche die feinste Havanna
Zur Verdauung nach dem Fraß,
Ich liebe das ganze Ballettcorps –
Meine Mittel erlauben mir das.
Über Lumpen wie Kepler und Schiller
Rümpf’ ich nur verächtlich die Nas’,
Ich bin ein vollendetes Rindvieh –
Meine Mittel erlauben mir das.
fecit Heinrich Seybold